Was ist Fibromyalgie?

Bei einem großen Teil der mir zugewiesenen Patienten liegt eine generalisierte Fibromyalgie vor. Man geht allein
in Deutschland von über 5 Millionen betroffenen Menschen aus. Oft bestehen jahrelang Beschwerden, ehe die
Diagnose gestellt wird. Es ist auch nicht immer einfach, dem Patienten anschaulich diese Diagnose zu vermitteln
und somit eine Akzeptanz für diese Erkrankung herzustellen. Dabei ist jedoch eine ausführliche Information über
das, was die Medizin zur Zeit über die Fibromyalgie weiß, ein wesentlicher Baustein für die therapeutischen
Bemühungen und somit auch für eine langfristige Besserung der Beschwerden.

Der Begriff Fibromyalgie wurde erst 1982 definiert. In meinem Medizin Studium habe ich hierüber nicht erfahren.
Es war bereits damals bekannt, das es Schmerzzustände im ganzen Körper gab mit erheblichen subjektiven
Krankheitsgefühl, welche auf die damals bekannten rheumatischen Erkrankungen nicht zutraf. Der Dachverband der
amerikanischen Rheumatologen hat dann eine bis jetzt anerkannte und weiter vertiefte Krankheitsbegriff
festgesetzt.

Dabei bedeutet das Wort Fibromyalgie wörtlich übersetzt, das es sich um einen Schmerzzustand im Bereich der
Muskeln und Sehnen handelt. So erklärt sich auch, dass Fibromyalgie Patienten im ganzen Körper Schmerzen haben
können. Oft beginnen diese Beschwerden zunächst an einer oder wenigen Stellen im Körper und werden zu Beginn mit
Begriffen wie Schleimbeutelentzündung, Tennisarm, Muskelverspannungen, Blockaden gedeutet. Im Laufe der Zeit
können sich diese Beschwerden über den ganzen Bewegungsapparat ausbreiten und für den Betroffenen sehr belastend
sein. Die Diagnose ist unter anderem deshalb Schwierig, weil auch eine ganze Reihe anderer Ursachen ähnliche
Beschwerden auslösen können, so dass bei Verdacht letztendlich nur eine gründliche Untersuchung und Diagnose die
Diagnose sichern können.

Bei Fibromyalgie Patienten können die Beschwerden oft mit typischen Begleitveränderungen einhergehen was die
Diagnose weiter festigen und sichern kann. Anderseits bedeutet das Fehlen einer oder mehrer dieser
Charakteristika nicht den Auschluß dieser Diagnose. So beschreiben viele Patienten, das Wetterwechsel sowie
nass-kalte Wetterlage mit Tiefdruckphasen einen ungünstigen Einfluß auf die Beschwerden nimmt. Ferner können bei
seelischen Belastungen, Niedergeschlagenheit und Schlafstörungen die Beschwerden zum Teil erheblich verstärkt
werden. Sie treten oft in der Anlaufphase nach Ruheperioden und auch während der Nacht auf und machen es dem
Körper damit nur schwer möglich , Entspannungsphasen in der Muskulatur aufzubauen. In der Bewegung selber sind
viele Beschwerden oft etwas besser auszuhalten, nach jahrelangem Verlauf können die Beschwerden jedoch einen so
starken Charakter annehmen, das der Schmerz sich regelrecht im Körper eingenistet hat und zu einem Dauerzustand
wird. Es kommt dann vielfach zu Begleitbeschwerden, die oft fehlgedeutet werden und zu vielfachen Arztbesuchen
verschiedener Fachrichtungen führen, die nur selten das Problem lösen. So sind das Klagen von Kopfschmerzen mit
zum Teil migräneartigem Charakter, Druckgefühl im Brustbereich mit Herzrhythmusstörungen, Reizsymptomatik von
Magen und Darm mit Veränderungen der Stuhlgewohnheiten, Periodenschmerzen, Reizblase, Seh- und Hörstörungen oft
geklagte Begleitbeschwerden. Ebenfalls sehr belastend für die Patienten sind die immer häufiger auftretenden
Erschöpfungszustände, Konzentrationsschwierigkeiten sowie zunehmend depressive Stimmungslagen nicht
ungewöhnliches.

Das Stellen der Diagnose

Wenn Patienten mir mit dem Verdacht auf Vorliegen einer Fibromyalgie zugewiesen werden ist es deshalb sehr
wichtig, die Beschwerden genau zu erfassen und eine gründliche Anamnese zu erheben, da diese in aller Regel die
Richtung der notwendigen Diagnostik vorgibt. Hiernach schließt sich eine Ganzkörperuntersuchung an mit erheben
des Gelenkstatus. In aller Regel sind hierbei die Gelenk selber nicht verändert, es zeigen sich keine
Entzündungszeichen oder Schwellungen, oft fehlt auch die für Rheuma sonst typische Morgensteifigkeit der Finger
von 1 Stunde und mehr. Dafür stellt man eine erhöhte Druckempfindlichkeit an bestimmten Muskelpunkten fest.
Diese Punkte sind von Fachgesellschaften intensiv erforscht worden und man hat sich schließlich darauf geeinigt,
dass die Fibromyalgie sich durch den reproduzierbaren Schmerz an diesen definierten Punkten charakterisiert. Man
hat 18 Druckpunkte festgelegt, eine Fibromyalgie sollte bei mindestens 11 von diesen festgelegten Druckpunkten
Druckschmerzen auslösen, bei bestimmten Kontrollpunkten sollten diese Schmerzen nicht ausgelöst werden können.
Mit diesen Maßnahmen kann dann zusammen mit typischen weiteren Krankheitssymptomen die Diagnose gestellt werden.
Daneben ist es genau so entscheidend andere mögliche Ursachen für die Beschwerden auszuschließen, in aller Regel
wird deshalb auch eine gründliche Blutabnahme sowie Bedarfsweise weitere Untersuchungen wie Ultraschall der
Gelenke, Röntgenaufnahmen, Szintigraphien durchgeführt. Nach Vorliegen all dieser Bausteine ist es dann kein
Problem mehr, diese Diagnose mit hinreichender Sicherheit zu stellen. Dabei müssen sich Arzt und Patient jedoch
klar sein, das auch im weiteren Verlauf immer wieder die bestehenden Schmerzzustände überprüft werden, um die
Entwicklung weitere Ursachen nicht zu übersehen. Dies ist vor allen Dingen erforderlich, wenn sich im Verlauf
der Charakter der Beschwerden ändert.

Die Behandlungsmöglichkeiten der Fibromyalgie

Bevor ich therapeutische Möglichkeiten im einzelnen bespreche, versuche ich zunächst, die Diagnose so gut wie es
geht zu erklären. Dabei kommt es mir dabei, dass der Patient sich keine Sorgen machen muß, dass diese Erkrankung
die Gelenke selber angreift und zu Gelenkzerstörungen führt. Die Angst vieler Patienten, eines Tages im
Rollstuhl zu landen , ist völlig unbegründet. Andererseits darf der oft chronische Krankheitsverlauf nicht
verheimlicht werden. Die Medizin kann keine Therapien anbieten mit dem Ziel diese Beschwerden vollständig zu
heilen. Aber gerade hier drin liegt die Herausforderung, von Patient zu Patient ein eigenes individuelles
Therapieschema festzulegen, welches die Beschwerden so gut wie es geht lindern kann. Oft handelt es ich hierbei
um eine Kombination unterschiedlicher Therapienansätze die erst in ihrer Gesamtheit zu einem spürbaren
Therapieerfolg führen. Ich vergleiche dies gern mit dem Zusammenlegen eines Puzzle. Auch hierbei kann am an den
einzelnen Puzzelsteinchen nicht erkennen, welches Gesamtbild sich am Ende ergeben wird. Trotz dem ist das
Richtige aneinander Reihen unter Einbezug jedes einzelnen Teilchens der Schlüssel dazu, das hinterher das
fertige Bild entsteht. Zu Beginn sind die eingeleiteten Behandlungsschritte oft ähnlich, im weiteren Verlauf
dann immer individueller auf den einzelnen Patienten zugeschnitten.

Am Anfang hat es ich bewährt, mit dem Patienten Behandlungsziele zu vereinbaren. Das subjektiv führende Symptom
ist zumeist der langandauernde quälende chronische Schmerz in den unterschiedlichen Bewegungsabschnitten. Die
Medizin hat eine Reihe unterschiedlich wirkender Schmerzmedikamente entwickelt, die je nach Charakter der
Beschwerden eingesetzt werden können. Dabei kann für leichtere Beschwerden das Paracetamol 500mg eingesetzt
werden, für die stärkeren Beschwerden bietet sich das Katadolon oder Novaminsulfon an. Noch stärkere Schmerzen
werden mit Mitteln wie Tramadol oder Tilidin behandelt, ehe in Ausnahmefällen opiathaltige Präparate wie
Morphium zum Einsatz kommen. So genannte Rheumamedikamente wie Ibuprofen oder Diclofenac sind bei der reinen
Fibromyalgie oft nur unzureichend wirksam und führen gelegentlich auch zu Nebenwirkungen wie Magenschmerzen.
Trotzdem ist bei der Auswahl dieser Medikamente Fingerspitzengefühl und ärztliches Wissen erforderlich. Hier
sollte ein Ziel sein, den unerträglichen Schmerz auf ein akzeptables Niveau zu reduzieren. Geeignete
Kontrollmöglichkeiten sind hierbei das Führen eines Schmerztagebuches und die subjektive Einstufung des
Schmerzes an den jeweiligen Behandlungstagen zwischen 0 ( keine Schmerzen) und 10 ( stärkste Schmerzen). In
dieser Einstellungsphase sollte kurzfristige Verlaufskontrollen erfolgen, um zu Überprüfen ob die gesteckten
Ziele für den Patienten erfüllt werden konnten.

Insbesondere bei langanhaltenden und quälenden Schmerzen ist eine konsequente schmerzlindernde medikamentöse
Therapie von hohem Wert, um den Schmerz einmal in seiner Intensität zu durchbrechen und das Gefühl von so
genannten „Schmerzferien“ zu erreichen. Dies dient auch zur Vermeidung von Schmerzchronifizierung, welches im
unseren Gehirn im Schmerzzentrum wie eingebrannt sein kann. Solche Modelle sind gut erforscht, es würde jedoch
den Rahmen sprengen, hierauf jetzt näher einzugehen. Es wird dann sicher auch das persönliche Gespräch mit dem
Patienten Ausschlag gebend sein, für welche Therapie man sich letztendlich entscheidet, da ich immer die
Erfahrung gemacht habe, das der Patient Vorbehalt gegen Medikamente anbringt und Angst für Nebenwirkungen hat.
Von meiner Erfahrung her gibt es jedoch eine größere Anzahl von Patienten , die nach einer intensiveren
Behandlung ihrer stärkeren Schmerzenphasen auf Dauer wieder weniger Schmerzmittel brauchen als Patienten, die
dauerhaft nur unzureichend ihre Schmerzspitzen mit dann gerade verfügbaren Tabletten behandeln. Bei reichen
eines akzeptabeln Schmerzniveau sollte versucht werden, die Medikamente anzupassen, möglichst wieder ein weniger
starkes Medikament zu wählen oder vielleicht ganz auf die nicht medikamentösen Therapien überzugehen.

Ein weiteres wichtiges Puzzelstein bei der Behandlung der Fibromyalgie ist, die muskuläre Entspannung zu
fördern. Dabei halte ich es auch in meiner persönlichen Erfahrung für ausgesprochen wichtig, für einen
erholsamen und ausreichenden Schlaf zu sorgen. Viele Fibromyalgie-Patienten haben gleichzeitig zum Teil mit
erheblichen Schlafprobleme zu tun oder fühlen sich am Morgen beim Aufstehen wir gerädert und habe somit einen
schlechten Einstieg in den Tag. Wie Wichtig der Schlaf ist, erkennen wir daran das er sich im Laufe unserer
Entwicklungsgeschichte bei Mensch und Tier als unverzichtbar herausgestellt hat und zum Leben dazu gehört wie
das Atmen und Essen. Durch Untersuchungen hat man festgestellt, das man jeden Menschen wenn man ihn nur lange
genug am Schlafen hindert, Fibromyalgieähnliche Beschwerden auslösen kann. Ich halte es deshalb für
ausgesprochen wichtig, einen gestörten Schlaft zu fördern, wozu uns zunächst auch eine Reihe wirksamer
Medikamente zu Verfügung stehen. Ich persönlich verordne dieses Medikament gerne in Tropfenform, damit jeder
Patient in der Lage ist , seinen persönlichen Bedarf selber zu bestimmen. Hierbei haben sich weltweit
Medikamente ( Doxepin, Aponal oder Amitriptylin, Saroten) bewährt, welche beginnend mit 10 Tropfen langsam
gesteigert werden können, bis die gewünschte Besserung des Schlafes eintritt. Sollte es dabei zu einem
vermehrten Müdigkeitsgefühl am nächsten Morgen kommen, ist dies nach vorübergehender Minderung der Dosierung
nach meinen Erfahrungen nahezu immer rückläufig. Ggf. sollte mit dem Arzt Rücksprache gehalten werden. Die oben
genannten Medikamente sind ursprünglich für depressive Verstimmungen entwickelt worden. Wegen der
ausschließlichen Verwendung kurz vor dem Schlafen ergibt sich hieraus jedoch das die Schlaffördernde Wirkung im
Vordergrund steht. Es ist mir Wichtig auf diesen Sachverhalt besonders hinzuweisen, da Fibromyalgie nicht
automatisch gleichzusetzen ist mit einer psychischen Erkrankung. In milderen Fällen können zur Besserung des
Schlafprofils auch pflanzliche Präparate wie Baldrian oder psychologische Entspannungsmethoden versucht werden.
Aber diese Maßnahmen sollten sich am Erfolg orientieren und ggf. durch wirkungsvollere Therapien ersetzt werden.

Kontakt

Praxis Dr. W. Kremers
Linnicher Straße 19
52428 Jülich
Tel. (02461) 629 629
Fax. (02461) 629 666

Impressum